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Die ÖVP: eine Alptraum-Vision für die Zukunft des Sozialstaats

Laut Bundeskanzler Nehammer und der ÖVP können wir uns den Sozialstaat nicht mehr leisten. Ihre „Zukunfts-Vision“[1]: Einsparungen von Staatsausgaben durch die Halbierung der Sozialleistungen für Menschen, die kürzer als 5 Jahre in Österreich leben. Im Falle der Sozialhilfe blieben einem alleinlebenden Menschen dann rund 300-500 Euro im Monat. [2] Ein Einkommen, das den durchschnittlichen Lebensbedarf bei weitem nicht deckt. Es ist zu erwarten, dass Menschen, die am Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen können, dadurch in die Schattenwirtschaft und Illegalität gedrängt werden. 

Nehammer erhofft durch die Maßnahme eine „De-Attraktivierung“ des Zuzugs von Arbeitssuchenden nach Österreich. Der gleichzeitige Ruf der Regierung nach „Facharbeitskräften“ scheint der ÖVP kein Widerspruch zu sein. Auch Branchen, in welchen der Arbeitskräftebedarf, bei gleichbleibend schlechten Arbeitsbedingungen, traditionell durch Menschen gedeckt wird, die nach Österreich zugezogene Menschen, wie in der Beherbergung und der Gastronomie und im Handel, wird über den „Fachkräftemangel“ geklagt. Ja, selbst ausgebeutete, zu den schlechtesten Bedingungen beschäftigte landwirtschaftliche Hilfskräfte, fallen unter diese „Mangelkräfte“. Bei genauer Betrachtung ist der Ruf nach Fachkräften und die gleichzeitige Illegalisierung und Prekarisierung Zugezogener leider tatsächlich kein Widerspruch: Fachkräftemangel und die prekären Arbeitsbedingungen in diesen Branchen bedingen einander. Zugleich wird durch die prekären Bedingungen der Zugezogenen der Druck auf Erwerbstätige, schlechte Bedingungen zu akzeptieren, erhalten. 

Nehammers Parteikollege Kocher, stieß im Februar 2023 bereits ins selbe Horn, allerdings mit einem scheinbar anderem Ziel: Er schlug eine Kürzung der Sozialleistungen für Teilzeitkräfte vor, um Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu machen und das Arbeitskräftepotential der in Österreich lebenden Menschen auszuschöpfen. [3] Kein Wort verlor dieser über die Hürden, die dem entgegen stehen, wie fehlende qualitativ hochwertige Betreuungs- und Pflegeplätze. Auch kein Wort auch darüber, dass die Produktivität in den letzten Jahrzehnten massiv gestiegen ist. Diese Produktivitätssteigerung an jene, die sie erwirtschaftet haben, etwa in Form einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden weiterzureichen, wird von der ÖVP aber massiv abgelehnt. 

Beiden ÖVP-Politikern gemein ist mithin das Ziel, durch die Aushöhlung des Sozialstaats, die Möglichkeiten zur Durchsetzung guter Arbeits- und Lohnbedingungen zu schmälern und die Verteilungswirkung des Sozialstaats zuungunsten von Arbeitnehmer:innen zu verändern. Geht es nach der ÖVP, soll soziale Sicherheit zu einem Privileg einer immer kleineren Bevölkerungsgruppe werden. Geringe Löhne der breiten Bevölkerung und ein immer größerer Teil der Bevölkerung, die, etwa als Alleinselbständige, außerhalb des Sozialversicherungssystems stehen, tragen wiederum zur weiteren Erosion sozialstaatlicher Strukturen bei. 

Dabei sollten wir in Erinnerung behalten: Die Mähr, dass der Sozialstaat nicht leistbar ist, ist so alt, wie die sozialstaatlichen Strukturen selbst. Bereits in der Zwischenkriegszeit raunten Vertreter:innen der Industrie und der Besitzenden, dass der Sozialstaat nicht leistbar ist und dass sich durch Sozialleistungen eine „Unterstützungsmentalität“ durchsetzen würde. 

Nicht zuletzt die Erfahrungen der Wirtschaftshilfen während Covid-19 haben gezeigt, dass die Finanzierung des Sozialstaats möglich ist. Alleine, die Mittel werden nicht im Sinne der Allgemeinheit eingesetzt, sondern für den Erhalt und die Vermehrung des Vermögens der Besitzenden. Jeder zweite Euro der in Österreich Großunternehmen zur Überbrückung des Lockdowns ausgezahlt wurde, insgesamt rund 600 Mio, wurde von den Unternehmen als Gewinn verbucht und somit privatisiert. [4]

Alle in Österreich Lebenden haben das Recht auf soziale und gesellschaftliche Teilhabe! Unser Sozialstaat bildet dafür ein Fundament. Ihn gilt es, im Sinne aller, gegen die Angriffe der wirtschaftsliberalen und neo-konservativen Elite zu verteidigen. Und wir müssen den Sozialstaat und seine Instrumente nicht nur verteidigen, wir müssen sie im Sinne der Mehrheit gestalten und relevante Fragen adressieren: Den Ausbau sozialer Infrastruktur, effektive Instrumenten zur Sicherung des Wohnraums und die Schaffung leistbaren Wohnraums, Arbeitszeitverkürzung und die Schaffung neuer Selbstverwaltungsgremien für Arbeitnehmer*innen in der Sozialversicherung, welche in den letzten Jahren durch die neokonservativen und wirtschaftsliberalen Eliten zerstört wurden. Nicht relevant ist die Frage der die Finanzierbarkeit des Sozialstaats – denn die Ressourcen sind da. 


 

[1] https://oesterreich-2030.at/gesellschaft/

[2] https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/armut/3/2/Seite.1693914.html#:~:text=F%C3%BCr%20Alleinlebende%20und%20Alleinerziehende%20betr%C3%A4gt,werden%2012%20mal%20j%C3%A4hrlich%20gew%C3%A4hrt.

[3] https://www.derstandard.at/story/2000143517320/arbeitsminister-kocher-fuer-geringere-sozialleistungen-bei-teilzeit

[4] https://www.moment.at/ueberfoerderung-unternehmen-corona-hilfen