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Zum Thema „Österreichische Neutralität“ und „Sky Shield“

Gedanken einer Volksschuldirektorin

Ich bin überaus besorgt! Unsere Verteidigungsministerin Klaudia Tanner hat die Absichtserklärung für die Teilnahme am europäischen Luftverteidigungssystem „Sky Shield“ unterzeichnet. Es beruhigt mich nicht, dass die Schweiz ebenso unterschrieben hat….

Sky Shield – was soll das sein? Müssen wir uns vor dem „Himmel“ abschirmen? Natürlich habe ich nachgelesen, und weiß, dass es ein Abwehrsystem gegen Luftwaffen ist. Ich bin keine Expertin in Sachen Militär, Verteidigung und Kriegsführung! Ich habe keine Ahnung, ob Österreich so etwas braucht!  

Ich bin eine Expertin in Sachen „Friedenserziehung“! Aufgewachsen am Land mit wunderbaren Eltern, die beide den 2.Weltkrieg erlebt haben! Mein Vater war Soldat im 2.Weltkrieg, Gebirgsjäger, hat damals gekämpft an beiden Fronten: in Frankreich und später in Russland! Er war Jahrgang 1914 und zog in den Krieg. Gott sei Dank kam er wieder zurück, zwar fehlte ihm der linke Daumen und der linke Oberarmmuskel – ein glatter Schuss eines Russen, aber er kam zurück nach Österreich! Allerdings erst, nachdem er eine Zeitlang in russischer Kriegsgefangenschaft war. Meine beiden Geschwister und ich wären nicht auf der Welt, wenn er nicht das Glück gehabt hätte heimzukehren! Er hatte diese körperliche Kriegsverletzung und sehr viel mehr seelisches Trauma. Der Krieg holte ihn ein, als er über 80 war und leider zunehmend dement wurde. Er sprach von seiner bevorstehenden Exekution oder davon, dass wir nun wohl alle einen qualvollen Hungertod sterben würden – 1994! Das ließ erahnen, was die Erlebnisse seelisch angerichtet hatten! Er erzählte uns Kindern schon vom Krieg. Meistens waren es nur kleine Erfolgserlebnisse aus einem Alltag voller Angst, die er schilderte! Mein Vater predigte, wie wichtig es sei, friedlich zu sein! Konflikte müssten immer mit Reden und gewaltfrei gelöst werden! Kompromisse zu schließen wäre die beste Lösung – und immer den anderen zuhören, sich hineinversetzen in ihre Lage, Verständnis aufbringen für andere Sichtweisen! Ja, und welch ein Segen die „immerwährende Neutralität Österreichs“ sei, wie beruhigend dieser Punkt im Staatsvertrag für ihn und für viele Kriegsheimkehrer war. 

Und so bin ich eher Expertin für den „Frieden“ geworden, geprägt durch die Erlebnisse meines Vaters. Auch in meiner beruflichen Tätigkeit als Lehrerin und als Direktorin einer Schule hat mich die Friedenserziehung immer begleitet! Das ist einer meiner wichtigsten Beiträge für die Zukunft unserer Gesellschaft! Die heranwachsende Generation soll in Frieden leben können und muss selbstverständlich von klein auf lernen, wie das geht: friedlich miteinander umgehen!

Die Mitglieder unserer jetzigen Regierung scheinen mit der österreichischen Neutralität aus meiner Sicht sehr sorglos umzugehen…
Ich weiß es nicht, ob das Abkommen „Sky Shield“ gegen die Neutralität spricht! Ich habe auch keine Ahnung, ob wir unseren Luftraum schützen müssen! Aber ich wünsche mir Politiker, die unsere Neutralität bewahren und nicht aufs Spiel setzen! Leider habe ich diesen Eindruck momentan nicht! Vielmehr habe ich Sorge, dass unsere Regierenden sehenden Auges ganz naiv in Fallen tappen und unser wunderbares Land plötzlich nicht mehr neutral ist! Wie war die Geschichte mit dem Zauberlehrling? Die Geister, die ich rief…….

Herlinde Jaquemond ist engagierte Volksschuldirektorin in Wien und beteiligt sich an "Demokratie und Grundrechte". Im Bild am 24.6.2022 beim Symposium der Initiative im Wiener Martinschlössl.