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Die Regierung lügt, …

… wenn sie zum x. Mal behauptet, die Beteiligung an Sky Shield, einem Raketenabwehrsystem, das einige NATO- und EU-Länder anschaffen wollen, sei mit der Neutralität vereinbar.

Es geht dabei nicht nur um den Ankauf, sondern auch um die Koordinierung des Einsatzes dieser Waffen, was Österreich unweigerlich noch weiter in den westlichen bzw. EU-Militärblock einbinden würde. Wir erinnern uns: Die NATO ist ein Kriegsbündnis, das in der Vergangenheit völkerrechtswidrige Kriege gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen und andere Länder vom Zaun gebrochen hat und maßgeblich an der Eskalation des Ukraine-Konflikts beteiligt gewesen ist. Es stellt sich also die grundsätzliche Frage: Wollen wir uns in diese dubiose Gesellschaft begeben, in deren kriegerische Auseinandersetzungen hineingezogen werden oder gar zum potenziellen Angriffsziel werden? Die große Mehrheit unserer Landleute meint „NEIN!“, sie findet, dass zwei Weltkriege genug des Leides und der Zerstörung gebracht haben. Aber die gewählten Volksvertreter_innen unternehmen, assistiert von den „Qualitätsmedien“, alles in ihrer Macht Stehende, den Wunsch der Bevölkerung zu ignorieren und unsere Sinne mit Kriegspropaganda zu vernebeln. 

Klargestellt werden muss auch, dass Raketenabwehrsysteme keine Defensivwaffen sind, wie der Name nahelegt. Sie können Aggressoren wie die NATO (und den EU-Militärblock) dazu verleiten, sich hinter einem Schutzschirm sicher zu wähnen, um einen atomaren Erstschlag zu riskieren. Dazu passt die Propagandaoffensive von Verteidigungsministerin Tanner, die bei dem im Juli stattfindenden Treffen mit ihrer Schweizer Amtskollegin, die einen ähnlich leichtfertigen Umgang mit der Neutralität pflegt wie sie, davon schwadronierte, dass „bereits 2024 … ein Schutz vor Raketen und Geschossen kleiner und mittlerer Reichweite geboten und 2025 der ganze Schirm aufgespannt werden [soll]“. Und dann? Meint man, man könne nun einen atomaren Erstschlag wagen, weil man vor der ‚Antwort‘ genug geschützt sei? Eine derartige Verblendung lässt Wohlergehen und Sicherheit der Menschen völlig außer Acht, neben vielem anderen ein weiterer Grund, weshalb die ÖVP nicht mehr Mitglied der nächsten Bundesregierung sein sollte. Eine Regierung, für die das Wohl der Menschen Vorrang hat, tut nämlich alles, um den Frieden zu wahren und zieht die Menschen nicht in einen Krieg hinein.

Und sie verschwendet nicht Milliarden für den Ankauf von Rüstungsgütern: Die Beteiligung an Sky Shield würde Österreich allein € 2 Mrd. kosten, Gelder, die in die Taschen US-amerikanischer und israelischer Rüstungskonzerne fließen, die diese Waffensysteme herstellen. Auch dies kann kein vernünftiger Mensch wollen, vor allem dann nicht, wenn sein Leben immer weniger leistbar wird. 

Und die Sozialdemokratie?

Für den neuen Parteivorsitzenden Andreas Babler muss die Teilnahme an Sky Shield mit der Neutralität vereinbar sein, so sein verbales Bekenntnis. Aber was heißt das genau? Dass dies ohnehin der Fall sei, erzählen uns auch die Regierungsparteien. 

Andere Aussagen Bablers lassen aber aufhorchen, wobei zu hoffen ist, dass diese nur seiner relativen Unerfahrenheit geschuldet sind und noch revidiert werden. In einem Puls 4-Interview am 7.6. äußerte er sich zu friedenspolitischen Fragen wie folgt: Er will nicht ausschließen, dass österreichische Soldat_innen zur Minenräumung in die Ukraine entsandt werden und dies, obwohl Hilfsdienste dieser Art für eine Kriegspartei neutralitätswidrig sind. Weiters kann er sich eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außen- und Sicherheitspolitik vorstellen. Dies bedeutet, dass über die Frage der Beteiligung Österreichs an einem Krieg nicht mehr in Wien, sondern in Brüssel entschieden wird. Auf diese Art kann ein Grundprinzip der Neutralität, sich an keinen Kriegen zu beteiligen, umgangen werden. Jemand, dem es Ernst mit der Neutralität ist, müsste eigentlich mit allen Mitteln abzusichern trachten, dass Österreich nicht in einen Krieg hineingezogen wird. Dazu passt, dass die Beteiligung Österreichs an einer EU-Armee für Babler durchaus denkbar ist, etwas, das bisherige SPÖ-Führungen immer abgelehnt haben. Und, last but not least: Eine Beteiligung an militärischen Einsätzen auch ohne UNO-Mandat ist für ihn denkbar – was wiederum von einer verächtlichen Haltung gegenüber dem Völkerrecht zeugt. 

Dazu, was das neutrale Österreich auf diplomatischem Wege beitragen könnte, um den Krieg in der Ukraine zu beenden, hüllt Babler sich in Schweigen. Friedenspolitisches Engagement dieser Art wäre aber gute sozialdemokratische Tradition, an die anzuschließen für die SPÖ auch im Jahr 2023 kein Fehler wäre. Die friedliebenden Menschen in unserem Land warten darauf. 

Hilde Grammel ist Mitglied des Bundesvorstands der KPÖ

 

Der Beitrag erschien in leicht gekürzter Form im Kaktus, Zeitung der KPÖ Donaustadt, Ausgabe September 2023

Hilde Grammel bei einer Diskussion über die Entwicklung einer Friedensbewegung zur Beendigung des Ukraine-Kriegs