Klubobmann der NEOS, Yannick Shetty wird gefragt, ob "es nicht diskriminierend ist, Mädchen etwas vorzuschreiben, was sie in der Schule nicht tragen dürfen?" Anstatt die Frage zu beantworten, greift Shetty in die rhetorische Trickkiste und bedient sich einer Technik, die sich "Whatabautism" nennt: ein rhetorisches Verfahren, das Kritik durch den Verweis auf andere Missstände relativiert oder vom eigentlichen Thema ablenkt. Eine Frage oder ein Argument werden nicht beantwortet oder erörtert, sondern mit einer Gegenfrage erwidert.
Shetty lenkt jedoch nicht nur vom eigentlichen Thema der Frage ab, sondern nutzt die Gegenfrage als Ad-hominem-Argument, um die Fragestellerin zu diskreditieren. Bedauerlicherweise bemerkt er nicht, dass sein Vorwurf auf einer Unterstellung basiert, die in Wahrheit ein Schuldeingeständnis ist. Shetty unterstellt nämlich der Fragestellerin fälschlich, dass sie das Kopftuch als ein ganz einfaches Kleidungsstück erachtet und es somit keine besondere Symbolik hat, und stellt infolgedessen fest, dass das Kopftuch ganz klar "eine Sexualisierung der Frau beinhaltet", d.h. er reduziert die Symbolik des Kopftuchs auf diese Bedeutung. Diese Reduktion der Symbolik widerspricht laut VfGH-Urteil und dem Vatikan jedoch den Tatsachen.
Shetty argumentiert weiters, dass Mädchen erst ab Erreichen der Religionsmündigkeit "aus freien Stücken" die Entscheidung, ob sie ein Kopftuch tragen wollen oder nicht, treffen können. Nimmt man Shetty beim Wort, müssten folglich jedoch alle religiösen Praktiken, die mangels Religionsmündigkeit nicht "aus freien Stücken" getroffen werden können, vor dem 14. Lebensjahr verboten werden, im Einklang mit seiner Logik hinter dem »Kopftuchverbot«. Darunter sollte dann aber auch die religiöse Beschneidung unter 14-Jähriger (diese ist in Österreich erlaubt) sowie die Taufe und Erstkommunion fallen.
Bedauerlicherweise demonstriert Shetty, dass er das Urteil des Verfassungsgerichtshofs entweder nicht gelesen bzw. nicht verstanden hat, denn es ist genau diese Ungleichbehandlung, die der VfGH folgendermaßen in seinem Urteil zum damaligen »Kopftuchverbot« im Jahre 2020 beanstandet hat:
“Eine Regelung, die bloß eine bestimmte Gruppe von Schülerinnen trifft, und zur Sicherung von religiöser und weltanschaulicher Neutralität sowie Gleichstellung der Geschlechter selektiv bleibt, verfehlt ihr Regelungsziel und ist unsachlich."
Shetty verabsäumt zu belegen, dass die Entwicklung junger Mädchen durch das Tragen eines Kopftuchs beeinträchtigt wird, noch wägt er ab und artikuliert, ob das Verbot mit zum Teil drakonischen Strafen auch das Potenzial hat, den proklamierten Effekt (z.B. Schutz junger Mädchen) zu erwirken. Dieses Maß an Inkompetenz, welches Shetty und Plakolm ad-nauseam in dieser Causa zur Schau stellen, ist zutiefst bedauerlich, da es nicht zum Schutz junger Mädchen beiträgt, sondern lediglich zu einer emotionalisiert aufgeladenen und unsachlichen Debatte, die die Polarisierung der Gesellschaft vorantreibt, führt. Nichtsdestotrotz wird diese Debatte mit einer Vehemenz und Hartnäckigkeit geführt, die ihresgleichen sucht, da jede Schlagzeile und jedes Nachrichtensegment, dass sich mit dem »Kopftuchverbot« befasst, eine Schlagzeile weniger ist, die substantielle Kritik an Lösungen die die breite Öffentlichkeit Betreffen übt, und somit eine fantastische Ablenkung von den wahren Problemen (Austerität, Umverteilung nach oben, Militarisierung, etc.) darstellt.