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Vranitzky, Nehammer, Schallenberg, Babler

Die „Normalisierung“ Österreichs, der NATO-Krieg in der Ukraine und Gaza

Israel begann die Zerstörung des Gaza-Streifens nicht erst im Oktober 2023. Es intensi­vierte sie jedoch und verschärfte sie bis zum laufenden Völkermord. Der kollektive Wes­ten dahinter hält die Reihen dicht geschlossen. Aber das österreichische Außenministerium setzt noch eins drauf: Es zieht die Fahne hoch – die israelische, nicht die österreichische.

1828 schrieb ein Flüchtling aus Österreich eine grobe Polemik: „Österreich wie es ist“ (Austria as it is). Carl Postl war Mönch in Brünn gewesen und hatte das Kloster hinter sich gelassen. In Nordamerika nannte er sich Charles Sealsfield (1793 – 1864). In seiner Schmähschrift heißt es: „Dieses Volk, trotz seines Hanges zum Essen und Trinken, sicher eines der besten und gutherzigsten auf Erden, wird merkwürdigerweise allgemein verach­tet. Dafür gibt es zwei Gründe: Der eine ist der blinde Gehorsam gegen den Herrscher, welcher die Österreicher dazu führt, im Augenblicke, wo sie es mit der Regierung zu tun bekommen, aus Liebedienerei noch mehr zu leisten, als ihnen befohlen wird... Der zweite Grund ist der Mangel an jeglichem nationalen Selbstgefühl oder an Tugenden, welche die­ses erweckt... Der Kaiser kann nichts dafür, wenn die Österreicher noch nicht das gewor­den sind, was sie sein werden, wenn sein System noch zehn Jahre fortwirkt: die niedrig­sten und treulosesten Menschen auf dem Erdenrund" (Sealsfield 1994, 156, 158, 176).

Er gab den Ton an. Die österreichischen Intellektuellen werden in Hinkunft die österrei­chische Bevölkerung und nicht sosehr die Herrschenden angreifen und beschimpfen. Das Deutsche Reich dagegen ist das lichte Paradies: „Wir schauen frei und offen / wir schauen unverwandt / wir schauen froh hinüber / ins deutsche Vaterland“ dichtet 1880 in Schöne­rers Zeitschrift „Unverfälschte Deutsche Worte“ ein Poet J. Willomitzer. Für Otto Bauer war 1924 alles Österreichische dunkel, und alles Deutsche licht und hell. Am Ende seines Lebens 1938 begriff er allerdings, was „deutsche Kultur“ auch war. Nicht alle schafften das. Fritz Adler wollte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zurück in dieses Österreich, das Deutschland im Stich gelassen habe.

Die Nazi-Katastrophe brachte diese Typen eine Zeitlang zum Verstummen. Kreiskys Er­folg hatte viel seiner Österreich-Orientierung zu verdanken. Dann folgte Sinowatz, ein verschämter, heimlicher Deutschnationaler. Am 10. September 1984 musste der Außenmi­nister Lanc gehen, weil er Kreiskys Außenpolitik weiterführte. Den Bankdirektor Vranitzky machte Sinowatz zum Finanzminister. Als sich der Burgenländer im Wahl­kampf bei Waldheim massiv verkalkulierte, ging er selbst, und Vranitzky wurde Kanzler. 

Damit wurde der fundamentale Bruch in der österreichischen Politik offenkundig. Die Bundesregierung orientierte sich voll auf den kollektiven Westen und trat der EG bei. Und nun krochen alle alten und jungen Deutschnationalen aus ihren „linksliberalen“ Verste­cken. Waldheim hatte ihnen die Gelegenheit geboten. So konnten sie sich ungefährdet präsentieren. Aus „Kritikern“ und „Aufklärern“ wurden sofort unbedingte Verteidiger der Staatsmacht und der Bürokratie. „Ich habe gesehen, dass die Richtung gegeben war und habe mir gedacht, es ist besser, mitzugestalten“, verteidigte sich einer von ihnen mir gegenüber, der noch 1990 ein „kritisches“ Büchlein zur EG veröffentlicht hatte.

Wir brauchen die folgenden Geschehnisse nicht im Detail nachzuzeichnen. 2008 verhin­derte Heinz Fischer, Bundespräsident, eine demokratische Abstimmung über den Vertrag von Lissabon. Die Machtübernahme Brüssels und Berlins wurde fixiert.

2020 kam der Corona-Wahnsinn; dann begann der EU-NATO-Krieg in der Ukraine. Heute gebärdet sich „Österreich“ als Bulldoge völkermörderischer Politik. „Österreich“, das ist die Bundesregierung, hinter der inzwischen nicht einmal mehr ein Drittel der Bevölkerung steht. Ganz ohne Vorbild ist dies nicht. Leopold Gratz war Vorsitzender der Internationalen Kambodia-Konferenz, welche die völkermörderische Pol Pot-Khieu Sampham-Regierung auch nach ihrer Vertreibung unterstützte.

Mitten im Corona-Wahnsinn kam Kurz zu Fall. A. Schallenberg sollte den Platz für ihn warmhalten und wurde Kanzler (11. Oktober – 6. Dezember 2021). Damals war der Impf­zwang sozial und ökonomisch fast durchgesetzt. Aber Schallenberg, als echter Bürokrat, wollte Flächen-Deckung. Er führte auch die rechtliche Impfpflicht ein. Unterstützt wurde er dabei von Pamela Rendi Wagner – richtig, die, welche ein paar Jahre SPÖ-Vorsitzende war; und von den Landeshäuptlingen Ludwig und Kaiser. Die Bevölkerung sollte auf Vordermann und auf Vorderfrau gebracht werden. Diese autoritäre und parafaschistische Politik war keineswegs zufällig. Politik und Bürokratie wollten sich durchsetzen – „koste es was es wolle“ (Grün-Vizekanzler W. Kogler). Diese Episode war der innenpolitische Vorlauf, halb gelungen, halb gescheitert, für die Gegenwart.

Schallenberg war nicht haltbar. Nehammer kam. Es folgte der nächste Schritt. Die EU hatte nach 2014 schon geglaubt, sie hätte die Ukraine ganz und unbestritten in ihrer Hand. Doch dann trat das ein, wovor selbst der US-Thinktank Rand gewarnt hatte („overexten­ding Russia“): Nach langem Zuwarten antwortete Russland auf die ständigen Provokatio­nen im Osten der Ukraine mit einem Einmarsch. Der Westen verlor völlig die Fassung. Er führt nun einem verlustreichen Krieg, den ukrainische Soldaten mit viel Geld und Waffen der NATO und der EU (auch aus Österreich) auskämpfen.

Die BRD unterwarf sich sofort dem Großen Bruder. Ihre eigene Regierung zerstörte ihr vergleichsweise erfolgreiches Wirtschafts-Modell der zentralen Industrie-Produktion mit niedrigen Energie-Kosten. Wie schon in der Covid-Zeit erscheint dies rätselhaft. Viel­leicht hilft es, auf die Eigentumsstruktur der BRD hinzusehen. Die größten Eigentümer der deutschen DAX-Unternehmen sind inzwischen nordamerikanische (US-) Finanz-Holdings (z. B. BlackRock). Das erschöpft das Problem jedoch nicht. Die deutsche Politik ist seit Jahrzehnten ideologisch ganz und gar abhängig von einem „atlantischen Komplex“, den wir transnational, aber wesentlich basiert in den USA sehen müssen. Es ist ebenso eine ideologische, hegemoniale wie eine Interessensfrage.

Und Österreich? 

Österreich als eher kleiner europäischer Sub-Imperialismus ging voll mit. Und wieder stellt sich die Frage und das Rätsel: Warum? Denn die Folgen sehen wir ja schon, und die waren vorhersehbar. Österreichs Kapitalismus folgte stark dem deutschen Urbild, wenn auch die Industrie-Orientierung abgemildert ist durch traditionale Dienstleistungen und neu durch finanzkapitalistische Ambitionen im Osten. Ideologisch war dies vom verbli­chenen Erhard Busek eine Zeitlang durch eine altmodische Ostmitteleuropa-Ideologie mit nostalgischen Zügen abgedeckt. Damit kam er der konservativen oder vielleicht auch neuen Habsburg-Nostalgie nach. – Mit der BRD bricht heute auch Österreich ein.

Und nun haben wir Gaza. Die jahrzehntelange israelische Gewalt und Aggression erlebt einen neuen Höhepunkt. Als die korrupte und halbfaschistische israelische Regierung durch einen Hamas-Angriff unerwartet schwere Verluste erlitt, sahen die europäische Bürokratie und ihre nationalen politischen Deck-Figuren, mehr noch als ihre US-Vorbil­der, die Gelegenheit gekommen. 

Hier tritt für Österreich wieder Schallenberg auf: Er ist das Muster des Bürokraten, der einerseits ohne Hirn agiert, andererseits aber gesteuert wird von übergeordneten Bürokra­ten. Persönlich hat er überdies einen Ehrgeiz und will offenbar selbst an die Spitze in Brüssel kommen. Das Alles kommt dem herrschenden bürokratisch-politischen Komplex in Österreich und seinen über- und internationalen Auftraggebern gerade recht. 

Es ist ja nicht das persönliche Programm eines beschränkten Außenamts-Beamten. Die österreichische Bundesregierung glaubt, sich an keine Beschränkung und keine hiesigen Gesetze mehr halten zu müssen. „Kaum ein EU-Staat ist so israelfreundlich wie Öster­reich“ (NZZ, 2. Feber 2024): „Kurz ließ bereits im Mai 2021 anlässlich einer Eskalation des Nahostkonflikts mit Raketenangriffen aus dem Gazastreifen die israelische Flagge auf dem Kanzleramt hissen. Damals erntete die Regierung Kritik von Experten und der Opposition, die an Österreichs Neutralität erinnerten. Im Oktober war das nicht der Fall.“ Der seinerzeitige Außenminister Gratz wurde noch wegen „Neutralitäts-Gefährdung“ vor Gericht gestellt. Er wurde übrigens frei gesprochen. Gegen das, was der derzeitige Außenminister macht, war alles Handeln von Gratz ein lächerlicher Klacks. 

Die politische Klasse will die Verhältnisse unwiederbringlich ändern. Sie ist entschlossen, jede Erinnerung an eine selbständige neutrale österreichische Politik zum Verschwinden zu bringen. In der Corona-Zeit hat sie auf die Angst vieler, vor allem alter, Leute vor dem Tod gesetzt und teilweise Erfolg gehabt. Aber den technofaschistischen Umbau hat sie doch noch nicht wirklich geschafft. Jetzt setzt sie auf rassistische Hetze und will diese mit der zynischen Warnung vor Rassismus und Antisemitismus verbergen. „Diesen Kameltreibern werden wir es schon noch zeigen!“ Das eigentliche Ziel ist die eigene Bevölkerung. Die Verankerung im aggressiven imperialistischen Westen soll auf diese Weise unauflösbar werden. 

Die SPÖ spielt voll mit, auch diesmal wieder. Einer der ersten Vorschläge des Andreas Babler nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden war eine „europäische Verteidigungs-Union“. Immer wieder zeigt es sich: Wenn ein Sozialdemokrat links blinkt, müssen wir besonders vorsichtig sein. Hinter dieser Nebelwand verbirgt sich immer eine rechte Agenda.