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Warum ich mir die Spaltung der SPÖ wünsche, aber nicht daran glaube

Was ist besser: Bobo oder Polizist?

Das neuerliche Hochkochen der Krise der SPÖ ist Ausdruck der viel umfassenderen Krise des politischen Systems. Unter die gleiche Kategorie fällt die VP-FP-Regierungsbildung in Niederösterreich – für die die ÖVP die autoritären Corona-Maßnahmen desavouieren mussten.

Das große Bild: der Ausschluss der FPÖ aus der Regierungsbildung ist nicht mehr möglich. Anders gesagt: der autoritäre Liberalismus braucht Auffrischung durch den Populismus, also durch diejenigen, die vorgeben das einfache Volk zu vertreten – im Gegensatz zur liberalen Elitenherrschaft.

Worum dreht es sich spezifisch in der Sozialdemokratie? Rendi steht für die Nichtopposition, für die Große Koalition, für die Unterwerfung unter die kapitalistische Globalisierung, für das Schweigen angesichts der Nato-Kriegstreiberei, für die ewige Ankettung an die ÖVP. Salopp gesagt, repräsentiert sie die linksliberalen Bobos.

Sie will das fast 40 Jahre alte Credo nicht nur der Ausgrenzung der FPÖ, sondern von deren Überhöhung als faschistisch, fortsetzen. Damit wurde mehr als eine Generation lang der Neoliberalismus und die Koalition mit der ÖVP als kleineres Übel strukturell gerechtfertigt.

Schon die Episode Kurz hat gezeigt, wie verbraucht das Modell Große Koalition ist. Er hatte den FP-Populismus an der Regierung beteiligt und mit Eliten-Demagogie domestiziert. Eigentlich war Kurz eine von den Medien produzierte Blase, so sehr er sich auch einbildete, diese durch message control steuern zu können. Letztlich stürzte er im Machtrausch über den linksliberalen Teil der Regimemedien. Er wurde zurück in eine neue Form der Großen Koalition gezwungen, nämlich mit den Grünen. Sein Stern sank noch schneller als er aufgestiegen war.

Wenn Doskozil was verstanden hat, dann das, dass man den Unmut von unten nicht mehr ignorieren kann, ja ihn bewirtschaften sollte. Eigentlich war es die Kronen-Zeitung, die das mit ihrem Riecher erkannt hat und Doskozil in Position brachte. Für Dosko und Dichand ist klar, dass der FPÖ das Abo auf die Vertretung der unteren Schichten streitig gemacht werden kann. Der burgenländische Landeshauptmann bindet sich nicht schon präventiv an den VP-Neoliberalismus – dafür wird später auch noch genug Zeit und Gelegenheit sein und vielleicht sogar zu einem höheren Preis. Zudem weiß er auch, dass die FPÖ an den Futtertrögen leicht manipulierbar ist, so wie es zwei Mal Schwarzblau schon unter Beweis gestellt habt und er es selbst im Burgenland vorzeigte.

Die Haltung zur Zuwanderung wird von den Medien zur Gretchenfrage gemacht. De facto steht Rendi für die Realpolitik der letzten Jahrzehnte, mit einer gedrosselten Zuwanderung. Doch sie grenzt sich nicht offensiv gegen das identitäre Flaggschiff der städtischen Mittelschichten ab, den globalistischen offenen Grenzen. Doskozil steht eigentlich für die gleiche Realpolitik, aber er grenzt sich wiederum nicht offensiv von der FP und Co. ab, die bei der Begrenzung gleich noch chauvinistisch-identitär draufhauen und so die klassische Spaltung ganz unten betreiben.

Man darf sich von Doskozil nicht erwarten, dass er aus der SPÖ oder einer von ihm geführten Abspaltung eine Interessensvertretung der Arbeiter und unteren Schichten machen wird. Er ist als ehemaliger Polizist fest in das System eingebunden. Er würde vielleicht etwas mehr von der Neutralität reden. Aber er weiß auch wo die Grenzen sind und dass den transatlantischen Herren Folge zu leisten ist.

Dennoch wäre eine erfolgreiche Palastrevolte oder noch besser eine Abspaltung für uns von Vorteil. Denn sie würde Erwartungen wecken, bisher Unsagbares ausdrückbar machen, eine Konkurrenz zur FP bilden, Spielräume für Interessensvertretung der Subalternen eröffnen. Und vielleicht würde die derzeit gleichgeschalteten Medien ein bisschen mehr Breite zulassen müssen.

Spinnt man das weiter, dann würde sogar eine Koalition der (Schein)oppositionen denkbar, wie sie in Italien schon zwischen Fünfsternen und Lega gebildet worden war. Das könnte Hoffnungen auf die Beendigung des neoliberalen Regimes oder zumindest auf dessen Dämpfung wecken und auch deren politische Artikulation erleichtern. Abhängig von der Tiefe der kommenden Krisen und Schock, könnte eine solche „populistische“ Regierung auch als Blutauffrischung für die Eliten verstanden werden. Hoffnung auf einen Druck mit dem neoliberalen Regime durch diese, darf man sich aber nicht machen, denn beide haben kein Rückgrat gegenüber den kapitalistischen Eliten.

Doch zu viel der Spekulation: Doskozil ist es eigentlich nicht zuzutrauen, die Macht in der SPÖ zu übernehmen, mit all den Konsequenzen wie der Abwanderung der linksliberalen städtischen Mittelschichten (Bobos) und damit die Spaltung der Partei. Das wird auch die Wiener SPÖ zu unterbinden wissen, die von der Amalgamierung dieser beiden Strömungen (Bobos und Polizisten) lebt und nur so die Herrschaft über den Wiener Verwaltungsapparat aufrechterhalten kann. Wenn es mit Rendi nicht mehr geht, werden sie einen Kompromisskandidaten hervorzaubern, vielleicht genauso farblos wie Bürgermeister Ludwig. Und der langsame Abstieg ginge weiter.

Interessant wird es also erst, wenn wir eine sichtbare und hörbare soziale, demokratische und ökologische Opposition bilden können, die die feste Bereitschaft zum Bruch mit den Eliten signalisiert. Damit könnten wir morsche politische System in Turbolenzen bringen.

Das Aufbäumen gegen die autoritären Corona-Maßnahmen hat eine solche Chance geboten, zumindest kurz aufflackern lassen. Ein Scheitern der Kriegsanstrengungen gegen Russland einschließlich des für die eigene Bevölkerung schädlichen Wirtschaftskriegs, könnten eine weitere Möglichkeit bieten, vielleicht mit einer etwas größeren politischen Reife.