Jede politische Kraft, die den Anspruch auf ein umfassendes soziales Transformationsprojekt erhebt, braucht ein politisches Subjekt, das diese Transformation in Gang bringen, umsetzen und sichern kann. Die Subjektfrage steht daher immer im Zentrum unserer Initiative Selbstbestimmtes Österreich.
Es ist ebenso notwendig, festzustellen, dass die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen insbesondere der letzten Jahrzehnte die Bestimmung eines solchen Subjekts zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar „ahnbar“, aber noch nicht ausgereift möglich machen oder, in anderen Worten, wir müssen diejenigen Bewegungen aufgreifen, die real vorhanden sind und bei realen Widersprüchen ansetzen, damit sich ein Subjekt daraus entwickeln kann.
Diese realen Bewegungen sind heterogen, oft gering politisiert (im Sinne eines umfassenden politischen Bewusstseins), kaum organisiert und in der Tendenz auf einzelne Aktionsfelder beschränkt. Es lässt sich – politisch sinnvoll – kein gemeinsames Kriterium benennen, das diese Vielfalt (derzeit) zum Subjekt unseres umfassenden Transformationsprojektes konkretisieren könnte.
Allerdings eint diese Bewegungen dennoch einiges: Die Motivation, das Ziel und die Wirkrichtung ihres politischen Handelns:
- Die Motivation ist ein (wenn auch oft partieller) fundamentaler Dissens mit herrschender Politik/herrschenden Verhältnissen.
- Das Ziel ist ein Scheitern herrschender Politik/herrschender Verhältnisse.
- Die Wirkrichtung ist eine des „GEGEN“ diese herrschende Politik bzw. eine Verweigerung gegenüber dieser.
„Herrschende Politik“/„Herrschende Verhältnisse“ ist abstrakt, personifiziert ist diese Politik durch den (noch unbestimmten) Begriff der „Eliten“. „Eliten“ ist eine Personifizierung, um uns beim politischen Ansatz Konkretisierung zu ermöglichen, den realen Bewegungen eine (positive) Bestimmung über die Ablehnung und Partialität hinaus zu geben (FÜR einen umfassenden Bruch mit den Eliten!), wo diese etwa innerhalb der Bewegungen noch nicht mehrheitsfähig ist. Die Bestimmung des „Elitenbegriffs“ ist daher eine wesentliche Voraussetzung unseres Programms und Handelns. Diese Aufgabe können wir leisten (auch wenn es keine kleine Aufgabe ist).
Unser derzeitiges noch geringes politisches Gewicht (in Österreich), das Voranschreiten der kapitalistischen Globalisierung (mit allen ihren Effekten), eine zunehmende Komplexität und das momentane „Weltsystem“ erfordern einen flexiblen und zugleich ausreichend konkreten Begriff der Akteure und Profiteure der Prozesse von (politischer) Herrschaft: „die Eliten“.
Es existieren zwei Begriffe von „Elite“: Der Begriff einer „Funktionselite“ und der einer „Machtelite“, also ein gesellschaftlich-politischer. Der Funktionselitenbegriff interessiert in diesem Zusammenhang nicht.[1]
Der politisch-gesellschaftliche Begriff „Eliten“ bezieht sich auf jene Personen und Kräfte, die Einfluss auf bestimmte Bereiche nehmen können und die Entscheidungsprozesse darin dominieren: Es gibt (teilweise idente, teilweise untereinander vernetzte) politische, wirtschaftliche und kulturelle Eliten. In unserem Verständnis sind damit die Eliten innerhalb der kapitalistisch basierten Gesellschaft und Produktionsweise gemeint. Diese Eliten kontrollieren die gesellschaftlichen Ressourcen und treffen Entscheidungen mit gesellschaftlicher Verbindlichkeit: Sie akkumulieren gesellschaftliche Macht. Neben den Eliten erheben aber auch noch andere Kräfte, vor allem die breiten gesellschaftlichen Unterschichten, in verschiedenen Feldern Anspruch auf diese Verfügungsgewalt.
Für eine Zugehörigkeit zu den (politischen) Eliten ist eine Funktion innerhalb des politischen Systems nicht ausreichend, sondern es geht um eine Aufnahme „in den Kreis der Macht“, was bedeutet, an den Entscheidungen und der Umsetzung herrschender Politik aktiv zu partizipieren und diese mitzutragen. Die entscheidenden Kriterien sind Einfluss und Status (innerhalb der Eliten). Die Eliten selbst sind jedoch kein homogener Block (nicht die Elite), sondern ein ständiges Ringen um Einfluss, Entscheidungs- und Verwertungsmacht, eine Mischung aus Beeinflussen und Beeinflusst-Werden, aus systemtragend und systemgeleitet, aus Personen, Interessen und Diskursen. Es gibt Eliten auf verschiedenen Ebenen, auf (regionaler,) nationaler, (kontinentaler,) auf globaler Ebene. Gemeinsam ist den Eliten nur die Macht innerhalb der herrschenden Verhältnisse, die (angezielte) stabilisierende Funktion für diese sowie deren Repräsentanz. Diese Funktion und diese Repräsentanz bringen die Eliten notwendigerweise in den Gegensatz zu den Nicht-Eliten der breiten Massen und der sozialen „Unterschichten“.[2] Und zwar in allen obengenannten Feldern.
Ein umfassendes Projekt sozial-ökologischer Transformation, wie es unser Ziel ist, muss deshalb die Eliten identifizieren und als zentrale Forderung den „Bruch mit den Eliten“ erheben.
[1] Es handelt sich um diejenigen, die kraft ihrer besonderen Expertise oder ihrer besonderen Fähigkeiten usw. an relevanten Stellen eingesetzt werden.
[2] „Elite“ als „Auserwählte“, „Erlesene“, „Oberschicht“ setzt notwendigerweise eine „Nicht-Elite“ voraus. Zur Mannigfaltigkeit der Gegenbegriffe zu „Elite“ (im Englischen im Gegensatz zum Deutschen ist das gebräuchlicher) siehe die folgenden Links: https://www.merriam-webster.com/thesaurus/elite ; https://de.powerthesaurus.org/elite/antonyms ; https://synonyme.woxikon.de/synonyme/elite.php .