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Für eine demokratische, soziale und ökologische Alternative

Entwickeln wir eine politische Opposition, die sich den Bruch mit dem neoliberalen Regime zum Ziel setzt

Folgender Text wurde im Herbst 2021 als Diskussionsbeitrag für ein sozialdemokratisches Milieu verfasst, das Wege für einen politischen Neuanfang sucht. Es soll nun ein Beitrag für die Entwicklung des Projekts „Selbstbestimmtes Österreich – Initiative in Gründung“ dienen.

Österreich bleibt im Griff der neoliberalen Eliten und ihrer Globalisierung, auch wenn sich in Wellenbewegungen Hegemonieverlust bemerkbar macht und die Herrschenden nicht mehr ganz so können wie bisher – daraus ergeben sich nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen.

Die soziale Schere geht seit Jahrzehnten weiter auf. Die Eliten haben sich auf allen Ebenen verselbständigt. Das parlamentarische System mit dem zugehörigen Medienapparat sind als Mittel der Partizipation ausgehöhlt worden. Die autoritären Versuchungen auch während der Pandemie zeigen wie gefährdet die formale Demokratie ist. Der Wechsel von der Ignorierung des Klimawandels hin zu einem ostentativen Alarmduktus dient demselben Zweck: das neoliberale Regime grundsätzlich zu erhalten und außerordentliche Maßnahmen zu rechtfertigen. Stichwort: Elektroauto statt öffentlicher Verkehr.

In der Corona-Krise setzten die Eliten autoritäre Schritte um die Machtverhältnisse zu erhalten, auch wenn dazu sozioökonomisch die Dauerangriffe verlangsamt werden mussten.

Im Namen der Volksgesundheit wurden Bürgerrechte massiv beschnitten – man erinnere sich an das Spazierverbot in den Parks oder den gescheiterten Versuch die Maiaufmärsche zu verbieten. Wichtig blieb, vermittels einer quasi außergesellschaftlichen Bedrohung, den Blick auf die großen Stellschrauben der öffentlichen Gesundheit zu verdecken, nämlich die Arbeitsbedingungen und die Konsumstruktur – beide zutiefst neoliberal geprägt. Daher rührt zum Beispiel das erschreckende Faktum, dass in Österreich die Lebenserwartung von der durchschnittlichen Zahl an gesunden Lebensjahren um mehr als ein Jahrzehnt abweicht, mehr als in den meisten anderen europäischen Staaten.

So ist es kein Zufall, dass die naheliegendste, einfachste und kostengünstigste Maßnahme gegen die Pandemie, nämlich dem öffentlichen Gesundheitswesen mehr Mittel zukommen zu lassen, partout nicht gesetzt wurde. Niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen sind trotz der Lobhudelei für „unsere Helden“ ausdrücklich erwünscht und entsprechen den EU-Vorgaben für Abbau, Privatisierung und Maximierung privaten Profits.

Es ist also kein Zufall, dass die Politikverdrossenheit und die Ablehnung der Eliten wachsen. Auch der Rechtspopulismus zeigt Abnutzungserscheinungen und vermag diese Tendenz nicht vollständig einzufangen. Wie oft kann es noch funktionieren, sich als scheinbare Opposition wieder ans neoliberale Zentrum zu verkaufen? Da kann der eine oder andere diese Verselbständigung der Eliten schon als große Verschwörung zu fassen versuchen.

Dort wo diese zurecht Unzufriedenen definitiv unrecht haben, ist, dass daran nichts zu ändern sei, dass die Herrschaft quasi monolithisch wäre und die Eliten nicht in ihrer Art auf die Unzufriedenheit reagieren müssten.

Die völlig übernutzte rotschwarze Variante des Neoliberalismus light, wurde durch Schwarzblau abgelöst. Das projektierte radikalisierte antisoziale Zerstörungswerk funktionierte wenig und vor allem kurz. Der Medienapparat schoss die FP mit Ibiza ab, auch eine Stimmung insbesondere im städtischen Mittelstand reflektierend. Das Medienprodukt Kurz setzte in einer grenzgenialen Kreuzung des Rechtspopulismus (Identitätskampagne gegen Muslime etc.) mit grüner Klimaablenkung als Ersatz für die große Koalition den neoliberalen Kurs fort. Doch auch das wehrte nicht lange. Er stürzte über seinen eigenen Justizapparat, den er fest im Griff glaubte, um dann auch noch die zuvor so virtuos bespielten Medien zu verlieren.

Ganz kurz blitzte eine Anti-Kurz-Allparteien-Koalition auf, die eine neuerliche unsägliche Technokratenregierung stützen sollte. Doch in diesen Abgrund wollte sich Schwarz von Türkis dann doch nicht reißen lassen. Das Einzige, was man mit Bestimmtheit über diese Phantasie sagen kann, ist, dass eine solche Exekutive um keinen Deut weniger neoliberal gewesen wäre.

Welchen Reim kann man sich auf diese Wechselspiele machen? Der Trend des Hegemonieverlusts der neoliberalen Eliten setzt sich mit allem Auf und Ab jedenfalls fort. Immer eigenartigere, mediatisiertere, kurzlebigere, oberflächlichere, clownesquere Wendungen werden nötig, um gleichzeitig die exklusive Macht der Eliten und die Aufrechterhaltung des formalen Parlamentarismus zu ermöglichen. Dieses Schauspiel wirft nicht nur die Notwendigkeit einer politisch-sozialen Opposition im Interesse der einfachen Mehrheit auf, sondern zeigt auch dessen Möglichkeit – wenn zunächst einmal außerparlamentarisch.

Eine ganz entscheidende Begleitmaßnahme zum Lockdown war das Aufschnüren der heiliggesprochenen Austerität. Sonst wären die autoritären Maßnahmen nicht durchsetzbar gewesen. Für die aufgeklärten Teile der globalen Eliten war das ein Anlass für einen Kurswechsel hin zu mehr öffentlichen Investitionen, auch um die durch den Neoliberalismus aufgestauten Krisenmomente, insbesondere die durch Finanzialisierung überdeckte Nachfragelücke und auch die begleitenden politisch-sozialen Verwerfungen, zu dämpfen. So versprach der neu gewählte US-Präsident in überraschender Weise massive öffentliche Investitionen in die Infrastruktur und in das Sozialsystem – die offensichtlich nur teilweise durch- und umgesetzt werden können.

Türkisgrün tischte indes eine als ökosozial verkaufte Steuerreform auf, die keines von beiden ist und den alten neoliberalen Schemen folgt. Die Körperschaftssteuer (auf Unternehmensgewinne) wird weiter abgesenkt, die Progressivität der Einkommenssteuer zurückgenommen, statt Sozialtransfers Steuererleichterungen gewährt, die überwiegend den Wohlhabenden zugutekommen. Die CO2-Bepreisung ist sowieso der falsche Weg: im geringen Ausmaß hat sie keine Lenkungswirkung (und die großen industriellen Emittenten sind sowieso begünstigt) und im größeren Ausmaß wird sie höchst unsozial. Der Weg müsste über gewaltige Investitionen in den öffentlichen Verkehr gehen, um das Angebot zu stärken, doch dafür gibt es, wenn überhaupt, nur Lippenbekenntnisse. Insgesamt will der projektierte Haushalt langsam aber sicher wieder zurück zur Austerität, die die wohlhabenden Gesellschaften durch die vielfachen Spaltungen vor den Abgrund gebracht hat, noch mehr als Österreich die südeuropäischen Länder mit durch das Euro-Regime erzwungenen Desindustrialisierung.

Emblematisch für die gesamte sozioökonomische Linie der Regierung: Türkisschwarzgrün wollen einen degressiven Verlauf des Arbeitslosengelds durchsetzen, im Sinne der Bestrafung derjenigen, denen es über einen längeren Zeitraum nicht mehr gelingt ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Diese bedürften zur sinnvollen Eingliederung in das Erwerbsleben eigentlich eines abgemilderten Arbeitsregimes und spezieller Maßnahmen, um ihren Beitrag für die gesellschaftliche Produktion leisten zu können. Stattdessen sollen sie noch mehr geächtet werden. Doch gegenwärtig getrauen sich die Eliten die Durchsetzung dessen im vollen Ausmaß nicht zu. Daher soll das Arbeitslosengeld einmal am Anfang erhöht werden, nach einer gewissen Zeit dann sinken aber nicht provokativ unter das derzeitige Niveau. Es geht einmal um die Etablierung des Prinzips.

Der Wahlerfolg der KPÖ in Graz, trotz aller Besonderheiten, zeigt, dass für eine alt-sozialdemokratische Politik durchaus Zustimmung zu bekommen ist. Was jedoch kaum zum Thema gemacht wird, ist der übergeordnete Rahmen des Landes, des Bundes, der EU und dem globalen Freihandelsregimes überhaupt. Die KPÖ hat keine Chance kraft ihres Mandats eine gerechtere Verteilung durchzusetzen, die vor allem mit den öffentlichen Ausgaben zusammenhängt. Dazu bedarf es einer gesellschaftlichen Kraft, die diese Forderungen gegenüber den Institutionen durchsetzen kann, eben auch mit Druck auf der Straße. Alles dreht sich darum, eine solche Kraft gegen das neoliberale Regime, das nur die Form eines Bündnisses verschiedener Tendenzen annehmen kann, zu entwickeln.

Wir brauchen ein (oder auch mehrere) Aktionskoalitionen zu den entscheidenden Fragen:

Für die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, der Regulierung des Arbeitsmarkes und der Austrocknung des Niedriglohnsektor; Weiterentwicklung statt Abbau der Sozialversicherungen, die zurück in die Selbstverwaltung müssen; Ausbau des öffentlichen Gesundheitswesen mit besseren Arbeitsbedingungen, kürzeren Arbeitszeiten und höheren Gehältern; eine systematische Wende hin zum öffentlichen Verkehr mit Investitionen in den flächendeckenden Ausbau und der zugehörigen Raumplanung für kürzere Wege und lokale Zentren. All das braucht ein Ende der Austeritätspolitik und der knappen öffentlichen Kassen – weg mit den EU-Fiskalpakten. Die öffentliche Hand soll, kann und muss in die Wirtschaft im Interesse der Mehrheit eingreifen, um sozial und ökologisch sinnvolle und notwendige Projekte durchzuführen.

Schluss mit der Identitätspolitik der Spaltung und Diskriminierung von Muslimen. Verteidigung der demokratischen Grundrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit.

Für eine Außenpolitik, die der Neutralität verpflichtet ist: Frieden und Kooperation mit Russland; gegen die Unterstützung der völkerrechtswidrigen israelischen Kolonialpolitik; keine Teilnahme an und Kooperation mit Militärbündnissen, seien es die Nato oder ähnliche Versuche der EU.

Die Mehrheit soll sich das Sagen in und die Gestaltung der Gesellschaft erobert – nach dem Prinzip der Souveränität des Volkes!