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Pazifismus geht ohne Kontraposition zur Nato nicht

Die Wiener Friedenskonferenz wurde wegen der Forderung nach einem Waffenstillstand vom linksliberalen Establishment angegriffen, was enorme Solidarität hervorrief. Während sich die Teilnehmenden mit der Position des dort vertretenen globalen Südens identifizierten, knickten die Veranstalter schließlich ein und erwähnten die Nato in der Schlusserklärung nicht.

Am 10. und 11. Juni fand in Wien der „International Summit for Peace in Ukraine“ statt. (Die Website www.peacevienna.org genauso wie www.ipb.org funktionieren zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Stellungnahme nicht. Hier auf der ABFANG-Seite. Veranstaltet wurde die Zusammenkunft von einer Reihe von linken und Friedensgruppen, federführend dabei das International Peace Bureau (IPB), Code Pink und für Österreich ABFANG. (Siehe hier die Liste der Veranstalter.)

Aus dem Kreis des Sozialen Bündnisses für Frieden und Neutralität gab es von Anfang an Skepsis, weil  im Konferenzaufruf gleich im ersten Satz Russland verurteilt wird. Mit dieser Formel wird signalisiert, dass man der Rechtfertigungsideologie der westlichen Vorherrschaft nichts Grundsätzliches entgegensetzt. Als lehrreich erweist sich dabei eine Erklärung von Attac für ihre Wendung gegen die Friedenskonferenz. Auch nur die Erwähnung der Nato ist schon zu viel, denn es verwässert den Herrschaftskanon. Um so wichtiger ist es da nicht mit einzustimmen und Kritik an der russischen Eskalation ins Verhältnis zum Bürgerkrieg in der Ukraine, der NATO-Osterweiterung und der EU-Expansion zu setzen. Das Nato-Glaubensbekenntnis, nachdem das Böse im Kreml sitze, verstellt den Blick auf die Ursachen des seit dem gewaltsamen Machtwechsel 2014 in der Ukraine andauernden Kriegszustands und die Dynamik der globalen Eskalationsspirale. Diese kann nur durch die Dämpfung des alleinigen globalen Machtanspruchs des Westens geführt von den USA aufgehalten werden.

Knapp vor der Konferenz ritten die abhängigen Medien heftige Attacken auf die Konferenz als „russische Propagandaveranstaltung“. Der Standard & Co vertraten und vertreten dabei die aggressive Linie des totalen Siegs der Nato. Wer für einen Waffenstillstand eintrete, würde die russischen Eroberungen rechtfertigen. Der ukrainische Botschafter wurde mit den üblichen kriegstreiberischen Aussagen als Kronzeuge präsentiert. Attac (https://www.selbstbestimmtes-oesterreich.at/artikel/attac-russland-ist-allein-verantwortlich-fuer-den-krieg), Altbundespräsident Fischer sowie der ÖGB zogen prompt ihre Unterstützung zurück. Der Gewerkschaftsbund kündigte darüber hinaus wenige Tage vor Konferenzbeginn den Saal. (Hier dazu ein Artikel von Hannes Hofbauer.)

Diese wilden Angriffe, zumal sekundiert von der linksliberalen politisch-medialen Komplex führten zu einer Welle der Solidarität, die sich auch in einer starken österreichischen Beteiligung an der Konferenz niederschlug. Die Menschen wollten die Intention der Friedenskonferenz und die Idee eines sofortigen Waffenstillstands gegen die Kriegstreiberei unseres politisch-medialen Komplexes verteidigen und unterstützen.

Es gab großartige Rednerinnen und Redner, an der Spitze der amtierende Vizepräsident Boliviens, David Choquehuanca. Gemeinsam mit vielen anderen brachte er das Interesse des globalen Südens nach einem Ende des Krieges durch die Eindämmung des American Empire zugunsten einer multipolaren Weltordnung zum Ausdruck. Die Inderin Anuradha Chenoy, Professorin an der Jawaharlal Nehru Universität, stieß in das gleiche Horn. Jeffry Sachs, ehemaliger Architekt der kapitalistischen Schocktherapie gegen den Ostblock in den 90er Jahren, stellte die aggressive Haltung der USA gegen Russland heraus, sobald der Kreml sich nicht mehr vollständig unterzuordnen bereit war. Der ehemalige UN-Diplomat Michael von der Schulenburg wiederum wies auf die kriegstreiberische Rolle der EU an der Seite der USA hin, die damit die Zukunft Europas gefährde. Sie und viele mehr ernteten stehende Ovationen, also sichtbare Zustimmung.

Doch die Organisatoren trugen dieser Stimmung nicht Rechnung – im Gegenteil. Hatte ein während der Konferenz kursierender Entwurf des Schlusstexts noch die ursprüngliche Formel enthalten, die mit der kanonisierten Verurteilung Russlands beginnt, dann aber doch auch den Westen in die Pflicht nimmt, wurde die Nato schließlich in der finalen Resolution überhaupt nicht mehr erwähnt!

Leo Gabriel, einer der Organisatoren der Konferenz, der auch die Fäden zum Süden spann, räumte ein, dass die Entschließung den Geist der Konferenz nicht widerspiegle. 

Wie ist sowas möglich, zumal federführende Figuren wie Rainer Braun vom IPB oder Medea Benjamin von Code Pink auch öffentlich immer wieder Nato-kritische Positionen eingenommen haben? Auch wenn wir es im Detail nicht nachverfolgen können, so gibt es doch einen kaskadierten Mechanismus, mittels dessen die Nato-Regime ihren Einfluss dennoch geltend machen können. Manche rationalisierten das dann mit Aussagen wie dass man damit den Verleumdungen, man sei die fünfte Kolonne Putins, den Wind aus den Segeln genommen hätte – in dem man den Kern des Nato-Narrativs übernimmt? 

So wird pazifistischen Positionen buchstäblich die Luft abgeschnürt. Auch wenn Pazifistinnen und Pazifisten üblicherweise in bewaffneten Konflikten keine Seite beziehen, so haben sie immer die Machtstrukturen klarzulegen versucht, die zum Krieg geführt haben. Sie fragen nach den gesellschaftlichen Ursachen, um diese an der Wurzel zu packen zu können. Es ist das Vorrücken der Nato gegen Osten, der Versuch von USA und EU Russland unterzuordnen, die die Ukraine zerrissen haben. Ein dauerhafter und gerechter Frieden kann entsprechend nur durch den Rückzug der Nato und eine neutrale Ukraine erreicht werden.

Wir wollen mit den Pazifistinnen und Pazifisten gemeinsam auf die Straße gegen und haben zu diesem Zweck von Anfang an immer wieder als gemeinsame Plattform vorgeschlagen:

  • Österreichs Neutralität durchsetzen
  • Für einen Waffenstillstand
  • Den Wirtschaftskrieg gegen Russland beenden

Unsererseits, die wir uns auf die Seite des Südens, der globalen Mehrheit stellen, fügen wir hinzu, ohne dass dies zur Vorbedingung werden soll:

  • Rückzug der Nato aus Osteuropa
  • Für eine neutrale und föderale Ukraine
  • Schluss mit US-Empire, für eine gerechtere Weltordnung basierend auf Selbstbestimmung 

Gemeinsam mit dem Ungarischen Friedensforum (Békekör) schlagen wir eine Konferenz, ja einen Zusammenschluss der mittel- und osteuropäischen Kräfte für Frieden und Neutralität vor, womit dem Kriegskurs der EU eine Alternative entgegengesetzt werden soll.

Wenn wir nicht unseren demokratischen und sozialen Pol gegen den Nato-Krieg, der mit enormer Aufrüstung einhergeht, entwickeln (zu Beispiel in Form unseres Sozialen Bündnisses für Frieden und Neutralität), darf sich keiner darüber wundern, wenn die FPÖ den Wunsch der Mehrheit nach Neutralität für sich kanalisiert.

 

Willi Langthaler, Mitbegründer der politische sozialen Initiative Selbstbestimmtes Österreich